Montag, 5. Oktober 2009

Alles Sein


Ich möchte einfach alles sein!


Ein Buch, das ich vor Jahren in die Hand bekam, trug diesen Titel:
„Ich möchte einfach alles sein!“

Ich weiß heute nicht einmal mehr, was in dem Buch geschrieben stand, aber der Titel ist das, was meine Wünsche aus meiner Jugend widerspiegelt.

„Alles sein“ – das wollte ich und dieser Wunsch entsprang damals nur einem einzigen mächtigen Gefühl:
"Dieses Leben, wie ich es führen muss, ist nicht das meinige!
Ich gehöre hier nicht hin!"


Ich hatte unglaublich viele Träume und Wünsche, doch sie ließen sich meist nicht verwirklichen. Ich war nicht in der Lage zu verstehen, warum mich das Leben immer wieder "beutelte" und mir nicht das gab, was ich erhoffte: Liebe, Geborgenheit, Wärme und Nähe und ein bisschen Glück! Ich glaubte damals, ich hätte ein Recht darauf!

Ein Gefühl, welches zu meinem ständigen Begleiter werden sollte, war, dass mein Leben sich unecht "anfühlte", ein "fremdes" Leben mit ständigen, mühlartigen Routinen des Alltags, lästigen Pflichten und Aufgaben, ab und zu mit kleinen "Aufs", und den danach unausweichlich folgenden "Abs".
Ein Leben, mir vorgeschrieben von Leuten, die nicht verstehen wollten und nicht verstehen konnten, dass das nicht MEIN Leben war und das ich so nicht leben wollte...

Dies zeigte sich auch in den Gedichten, die ich als Jugendliche reihenweise schrieb, in denen ich einmal verbittert schlußfolgerte:
“ So, wie ich bin, kann anscheinend nur Gott mich lieben!“

Was Wahrheit war, wusste ich damals nicht – ich fühlte mich einfach nur abgelehnt und ungeliebt, denn fast jeder hatte an mir etwas auszusetzen.
Und die Krux war, nach unzählbaren Versuchen, anders zu sein, als ich war, diesen kindlich - hilflosen Versuchen, mich zu verändern, damit ich den anderen gefalle und geliebt werde, - dass das alles gar nichts änderte. Ich konnte es meinen Mitmenschen einfach nicht recht machen, weil sie immer etwas anderes forderten, als ich zu tun und zu sein in der Lage war.

Doch in der Tiefe meines Herzen spürte ich:“ So, wie ich bin, hat Gott mich gemeint!
So – und nicht anders! Ich bin richtig so!“
Doch als junger Mensch wusste ich damals selber nicht, wie sehr die anderen im Irrtum waren, wenn sie versuchten, mich zu ihrer Marionette zu machen. So begann ich mehr und mehr zu verzweifeln.
Wie könnte ich denn nur anders sein, als ich bin? So etwas ist doch gar nicht möglich!

Die einzige Wirkung, die mein Umfeld in meiner Kindheit und Jugend damit auf mich ausübte, war, dass ich irgendwann begann, mich selbst zu verleugnen und mir Masken aufsetzte, die mich wohl für die anderen noch unerträglicher gemacht haben.
Doch hinter diesen „Masken“ habe ich geweint und geschrien – aber niemand hörte meine Hilferufe.


Erst viele Jahre später, als ich vollends aufgab und es zuließ, für die anderen ein dummer Niemand zu sein - allein, vergessen und ungeliebt ... und als ich dann allein meinen Weg unbeirrt weiter verfolgte, änderte sich endlich etwas. Aber auch dann war nicht ich es, die sich veränderte, nein.
Indem ich aufhörte, anderen Menschen einen Platz in meinem Leben einzuräumen, wurde es ruhiger und schöner und heller in mir, hörte mein Kampf mit mir selbst auf.
Ich durfte endlich Sein!

Ich wundere mich heute darüber, ohne Blessuren und Narben auf der Seele und im Herzen diese Zeit hinter mir gelassen zu haben. Dass ich lieben kann von ganzem Herzen und heute das Leben, so wie es ist, genießen kann, ist kein Wunder.
Denn zu erkennen „Alles sein zu können“, DAS SEIN zu können, was ich mir als Kind immer gewünscht hatte, ist das größte Geschenk, was mir in meinem Leben zuteil wurde.

Dafür war es nötig, mich unabhängig zu machen und auf die Suche nach der Wahrheit zu gehen. Der Wahrheit, die da immer noch - vielleicht zum Leidwesen der anderen - heißt:
„Ich bin perfekt, wie ich bin."
So wie jeder andere Mensch auch,
aber jeder auf seine ganz persönliche gottgewollte Art und Weise.

Und keine Marionette auf der Bühne der Menschen.

Sondern Alles Sein.
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Bild von klavierspielerin: "Masken"

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