Freitag, 25. Juni 2021

Wei Wu Wei

                                   





Das Konzept des freien Willens 




"Der Mechanismus des Lebens beruht scheinbar auf der Vorstellung, dass das, was Lebewesen tun, auf einen Willensakt des jeweiligen phänomenalen Objekts zurückzuführen ist.

Es ist jedoch offenkundig, dass Lebewesen eher reagieren als agieren und dass ihr Leben von Instinkten, Gewohnheiten, Mode und Werbung bestimmt wird. Ihre Art zu leben besteht in erster Linie aus einer Reihe von Reflexen, die nur einen begrenzten Spielraum für bewusstes und überlegtes Handeln - das heißt zweckvolles Handeln - lassen, das oberflächlich betrachtet so aussieht, als sei es das Resultat eines freien Willens. 

Doch "Wille" ist lediglich ein gedankliches Konzept, denn so sehr wir auch suchen, wir können keine Wesenheit identifizieren, die ihn ausüben könnte. Alles, was wir finden können, ist ein Impuls, in dem die Vorstellung eines "Ich" in Erscheinung tritt. Man kann kaum annehmen, dass ein derartiger Impuls in der Lage ist, die unerbittliche Kausalkette oder - anders gesehen - den Vorgang der Manifestation scheinbarer Ereignisse zu beeinflussen, es sei denn, dieser Willensimpuls wäre selbst ein Bestandteil eines dieser Vorgänge."


 Aus: "Die Essenz der Leere" von WEI WU WEI 




Die Bücher von WEI WU WEI habe ich schon vor vielen Jahren das erste Mal  gelesen. Und ich gestehe, ich habe sie dereinst nicht verstanden. Intellektuell konnte ich das, was WEI WU WEI schrieb, schon nachvollziehen, aber das war dann auch alles. Die Sichtweise, dass wir keinen eigenen Willen oder keine Kontrolle über unser eigenes Leben haben, konnte ich einfach nicht nachvollziehen.

Heute erschließt sich mir das Ganze ein wenig mehr, aber ich würde es niemals wagen zu behaupten, ich würde an der Sicht des Meisters WEI WU WEI heranreichen. 

Dennoch möchte ich meine Sicht der Dinge hier einmal darstellen mit dem Gedanken, eventuell den einen oder anderen Interessierten etwas weiter an das Gedankengut dieses großen Meisters WEI WU WEI heranzuführen. 


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Wie oben zitiert, scheinen wir nicht die Kontrolle über unsere Handlungen zu besitzen, sondern wir werden über unser Gehirn gesteuert, ohne dass wir bewusst eine Entscheidung für unser Tun getroffen haben.

Ich möchte hier noch einen Schritt weiter gehen und die Behauptung aufstellen, dass auch die Entscheidungen, die unser Gehirn getroffen hat, auch nicht wirklich von uns stammen...

So wie ich es verstehe, ist es nicht nur unser Handeln, welches nicht willentlich durch uns vonstatten geht, sondern unser ganzes Leben läuft ohne unser persönliches Zutun ab.

Anders ausgedrückt: " Wir sind nicht die Bestimmer dessen, was geschieht. Wir sind diejenigen, DURCH DIE das Leben geschieht".



Dies zu akzeptieren erscheint zunächst völlig unmöglich. Wir, die wir doch immer sehr bedacht darauf sind, das Richtige zu tun und die besten Entscheidungen zu treffen, damit wir so das beste Ergebnis erzielen können, sollen keine Kontrolle über unseres eigenes Leben besitzen? Unvorstellbar!


Aber was würde es denn nun wirklich für uns bedeuten, wenn wir gar nicht der Handelnde, der Entscheider sind? Wie würden wir uns denn damit fühlen? Wahrscheinlich nicht sehr gut. Wir würden uns mit Sicherheit völlig hilflos fühlen. Und das Gefühl der Hilflosigkeit mögen wir überhaupt nicht. Und zu allem Übel käme noch hinzu, dass wir dann ja offensichtlich ein Spielball der anderen Menschen wären. Doch interessanterweise ist genau dies nicht der Fall. Denn dieses Phänomen, dass wir nicht die Kontrolle über unser Leben, unsere Handlungen haben, das gilt ja für ALLE Menschen und nicht nur uns oder für einige wenige!


Nach WEI WU WEI gibt es überhaupt keine einziges Wesen, welches handelt! Und hier stehen wir wieder einer Aussage fassungslos gegenüber. Denn wenn das wirklich stimmen sollte, müsste ja eigentlich ein heilloses Chaos in der Welt herrschen. Überraschenderweise finden wir aber genau das Gegenteile vor. Alles auf der Erde läuft in geordneten, sogar wissenschaftlich nachvollziehbaren Naturgesetzen ab. Auch wenn der Mensch oftmals meint, ER wäre der Urheber vieler nützlicher Mechanismen, kopiert er doch immer nur, was die Naturgesetze uns vorgeben. 


Das müssen wir jetzt erst einmal sacken lassen. 


Um überhaupt auch nur im Entferntesten die Betrachtungsweise WEI WU WEI's nachvollziehen zu können, müssen wir etwas tiefer in die Denkweise des Großen Meisters einsteigen. Wir lassen einmal unsere ganzen Vorstellungen von Gott, der Welt und den Menschen beiseite und folgen dem Meister in seinen Beschreibungen. 

Denn nach WEI WU WEi handeln WIR nachweislich deshalb nicht, weil wir nicht DAS SIND, wofür wir uns halten. Nämlich Menschen mit eigenem Willen!

 Er geht aber noch weiter und behauptet, es gäbe NIEMANDEN mit einem eigenen Willen, sondern nur das TUN oder HANDELN als solches. Damit sagt er klar: "Es gibt keinen Handelnden, sonder nur das HANDELN selbst." 


Nun wird es aber wirklich kompliziert. 


Wenn es denn tatsächlich niemanden gibt, der handelt, wie kann all das auf der Welt geschehen, sich ereignen, was wir jeden Tag erleben oder was wir sehen? 

WEI WU WEI sagt, es ereignet sich einfach! Ereignisse geschehen, Handlungen werden durchgeführt, Taten werden getan. Aber eben nicht von uns, sondern DURCH uns! Wenn du magst, nenne es GOTT, der durch uns handelt, oder das reine Bewusstsein, dass  ALL EINE, die eine allumfassende Seele, etc... Doch es ist ist in der Tat immer nur das EINE SELBST, das uns bewegt. 

DAS ALLUMFASSENDE, EWIGE, UNSTERBLICHE EINE SEIN, welches wir alle SIND!


Kennt ihr den Film: Avatar?


Nun, wir haben zwar mit Sicherheit alle keinen Doppelgänger mit einem Stecker hinten am Kopf, aber das Prinzip des Avatars ist für meinen Geschmack die beste Beschreibung, auch, wenn es die "Realität" nicht wirklich zu  100 Prozent korrekt beschreibt. (Denn ihr wisst ja: alles ist nur ein "Fingerzeig"!) Der Avatar wird von einer Kraft außerhalb von ihm bewegt, aber er fühlt alles, sieht alles, und er empfindet sämtliche Emotionen. Unser Körper wird von WEI WU WEI als Psyche-Soma Apparat bezeichnet, man kann ihn auch Körper-Geist-Organismus nennen. Man denke auch in diesem Zusammenhang an die vielen Berichte von Menschen mit außerkörperlichen Erfahrungen, Nahtod-Erlebnissen, etc, etc... Auch das entspricht der Behauptung, dass wir nicht unser KÖRPER sind, ganz im Gegenteil.


Wie kann man sich nun dieser Tatsache nähern, dass wir GELEBT werden? Das es dabei nicht einfach werden wird, ist uns allen klar. Es gibt schon eine Vielfalt von bekannten Methoden, um sich dieser "Erfahrung" zu nähern. Doch der einzige richtige Weg, um in diesen "Zustand" zu gelangen, ist und bleibt das LOSLASSEN, nicht das TUN.

 Die Identifikation mit sich selbst ist das Problem und die Lösung gleichzeitig, Das Problem, weil wir den Körper als unser eigen betrachten, und die Lösung, weil er uns die Möglichkeit gibt, unser Wahres Selbst zu erfahren. Zumindest bis zu einem bestimmten "Punkt"... Unsere Identifikation muss immer weiter abgebaut, minimiert werden. Dies kann man bekannterweise "üben" durch Meditation, Yoga, Singen, Tanzen, Kontemplation oder was euch sonst noch so einfällt. Was am besten für den Einzelnen funktioniert, liegt an jedem Selbst. Tu das, was dir am meisten liegt, wobei du dich am besten entspannen, loslassen, dich selbst vergessen kannst. Das ist der einzige Weg: Selbstvergessenheit. Du musst dich selbst vergessen, um zu erfahren, dass DU nicht das bist, wofür du DICH hältst. Verliere Dich, um Dich zu finden.



Ich weiss, an irgendeiner "Ecke" beim Lesen von spirituellen Aussagen, oder bei seinen "Übungen" bleibt man immer "hängen" und zweifelt. Entweder an seinem eigenen Verstand oder an dem des Schreibers, denn wir können uns einfach nicht vorstellen, wie so etwas möglich sein soll. 

Das Wichtigst ist, dass man immer offen bleibt, auch für die Dinge, die man (noch) nicht versteht. Bleibe immer dran an den Themen, lese die zu dir passenden Bücher und vertiefe dich in Kontemplation oder Meditation.

Das Ganze ist ein Prozess, der Zeit braucht. Es adaptiert sich immer mal wieder eine kleine Erkenntnis bei irgendwelche Erfahrungen und so sammelt man immer wieder "kleine Lichtblicke", auch im ganz normalen Alltagsgeschehen. Auf diesem Wege füllt sich das innere Erleben mit Erfahrungen und Erkenntnissen, die beim nächsten Mal schon ein größeres Verständnis beim Lesen der Texte der Großen Meister hervorbringen. In unserem Inneren wachsen dann weitere Möglichkeiten heran, "seinen Horizont" immer weiter und weiter zu öffnen. Neugier und Offenheit für alles, Unvorstellbares und nie Erlebtes werden uns immer tiefer in unser SEIN führen und uns immer mehr spüren lassen, WAS wir sind, und wer wir NICHT sind. Stelle dich auf das größte Abenteuer Deines Lebens ein, und heiße das Undenkbare willkommen.

 Öffne dich für das Göttliche SEIN. Es heißt dich schon immer willkommen.





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Bild von Geraint Rowland:" Father an Son" (Shadowcast)



Freitag, 14. Juni 2019

Ein Moment


fotografieren bei regen tipps


Das Wasser rauscht.

Es ist dunkel geworden. Durch die dicken Regenwolken dringt nur noch wenig Licht.
Ich genieße das Geräusch und stehe am offenen Fenster; den Rollladen zur Hälfte heruntergelassen, damit es nicht hineinregnet.

Wie gern würde ich jetzt einen Spaziergang machen, aber ich habe die Zeit nicht. Die Pflicht ruft.

Das Wasser regnet wie in langen Bindfäden herunter. Das Rauschen in den Bäumen dringt tief in mich. Ich will ihn spüren, den Regen, und halte meine Hand aus dem Fenster. Dicke, leichte Tropfen regnen in meine Hand und ich wundere mich, wie sanft und warm der Regen sich anfühlt. Das hätte ich nicht gedacht! Wie ein Streicheln, irgendwie kühl und doch wieder warm ist das Wasser. Meine Hand wird gar nicht so sehr naß – das meiste fällt vorbei…

Ich könnte stundenlang hier stehen, lauschen, schauen, genießen. Der Regen tut so gut, wie ein Labsal. Als wäre ich wie eine Pflanze oder die trockene Erde, die den Regen freudig willkommen heißt und sich wohlig durchströmen lässt vom lebensspendenden, kaum kühlenden Naß. Wie kann man sich in solchen Momenten nach Sonne sehnen, nach glühender Hitze und Austrocknung?
Nein, nicht das, nicht jetzt.

Ich liebe den Regen, so sanft, so berauschend, ein Wohlklang, eine Wohltat. Ich bin eins mit dem Regen, mit der Erde und mit der Welt! Berauscht! Beglückt!

Ich gehe noch nicht, bleibe noch etwas, stehle mir noch einen kleinen Moment beglückenden Seins.
Regen.



Mittwoch, 17. Januar 2018

... und immer wieder nur Freiheit

 

So langsam klart sich mein Geist wieder auf. Alles hat seine Zeit und manches braucht eben seine Zeit.
Abschied ist ein scharfes Schwert.
Je mehr sich im Leben verändert, umso mehr muss man sich auch selbst verändern. Klingt so einfach, ist es aber nicht. Wenn das Loslassen durch das Schwert Abschied erzwungen wird, ist man oft noch lange nicht bereit, loszulassen. So gilt es die scharfen Grate nach dem Schnitt so abzurunden, dass man sich nicht bei jeder Gelegenheit die Wunde erneut aufreisst und es zu bluten beginnt. Auch nach einer Operation braucht es ja seine Zeit, bis die Wunde verheilt.
Eine Antwort auf die Frage, warum dass passieren muss/te gibt es in den seltensten Fällen. Da bei mir jetzt aber viele früheren Glaubensmuster verschwunden sind, frage ich man erstmal nicht mehr danach.
Aber das bedeutet nicht, dass ich alles aufgegeben habe, woran ich einmal gelaubt habe. Nur das Denken in Mustern ist verschwunden. Der Glaube an etwas oder jemand Bestimmten ist verschwunden. Oder ich nenne es besser so: Die Vorstellung von dem, woran ich glaubte, ist verschwunden.
Interessant daran ist auch, dass ich selbst mit aller Mühe nicht mehr in die alten Denkmuster zurückfinde, auch nicht, wenn ich es mit allen Tricks versuche. Und, zugegeben: einiges davon fehlt mir. Gott in der Form, in der ich an ihn dachte, fehlt mir. Die Hoffnung auf Erfüllung, die ich in bestimmte Ziele setzte, fehlt mir. Der Glaube an die romantische Liebe zwischen zwei Menschen fehlt mir. Aber vielleicht gibt es  stattdessen andere, neue Gedanken, die irgendwann auftauchen.
Ich hatte lange nicht die Ruhe zulassen können, die unbedingt notwendig ist, damit der Geist zur Klarheit gelangen kann. So manches Mal hatte ich das Gefühl, ich muss wieder ganz von vorn beginnen, um den Geisteszustand wieder einzunehmen, den ich vor dem „Break“ hatte. Bis jetzt kann ich wahrhaftig nicht sagen, „wo ich stehe“. Auch bin ich mir nicht mehr sicher, was ich kann oder was ich weiss. Vieles ist nicht mehr präsent. Doch witzigerweise erschüttert mich das nicht mehr. Neben vielem anderem ist auch dieser Druck verschwunden, wissen zu müssen, wo man steht in seiner Entwicklung. Mein Verlustempfinden hat auch andere Dinge/Gedanken „verlustig“ gehen lassen.
Wenn es nicht mehr wichtig ist, bestimmte Erfahrungen machen zu müssen oder nach Erkenntnissen zu suchen, wird es sehr viel einfacher, zu leben. Auch die darauf folgende körperliche Entspannung wird sich mit der Zeit immer mehr einstellen. Ich gehe einfach davon aus, dass der Geist den Körper heilen kann und wird - und nicht umgekehrt (also glaube ich doch noch…J).
Und nun kommt wieder die Freiheit ins Spiel.
Für mich ist es immmer noch die Freiheit, die mich antreibt, weiter an mir zu arbeiten. Wenn auch vieles andere jetzt für mich nicht mehr so wichtig ist oder sein kann, ist es immer noch die Freiheit, die ich um alles in der Welt anstrebe. Sie ist es, die mich hinaus treibt auf lange Spaziergänge in der Natur. Sie ist es, die mich bewegt, Dinge zu ändern, die mich stören. Und sie ist es, die mich drängt, mich selbst immer weiter zu entwickeln, auf dass ich immer unabhängiger werden kann von den Menschen und den Dingen, die mich umgeben.
Und noch einen Glauben hab ich gefunden: Ich glaube, dass das, was nicht bei mir ist, auch nicht bei mir sein soll. Und dass ich immer genau da bin, wo ich sein soll. Und auch, wenn ich nicht mehr an die Erfüllung meiner Wünsche glaube oder daran, dass diese mich in der Zukunft glücklich machen werden , kann ich mich doch enspannt zurücklehnen.
Denn was auch kommt, soll genau so sein.
Was gibt es denn dann noch zu wünschen?
Ich glaube nicht mehr an Wünsche, sondern eher an den Spruch:“ Pass auf, was du dir wünschst…es könnte  in Erfüllung gehen…“
Ich werde nun mehr in dem berühmten „Jetzt“ leben. Denn nur dort kann ich Sein und Wirken und Veränderungen vollbringen.
Vielleicht mit einem Augenzwinkern getreu nach dem Motto:
Lebst du schon oder wünschst du noch? J



 

Freitag, 22. Dezember 2017

Der Bodensatz des Lebens


 

Das Laub raschelt unter meinen Füßen.

Eigentlich haben wir ja auch selten so einen richtigen Winter mit Schnee und Frost. Darum raschelt es so. Schade, denn so können  mich die scheuen Waldbewohner immer kommen hören. Getarnt bin ich ja sonst, farblich gesehen.
Einige Meter von mir entfernt sehe ich etwas im Gras liegen. Der Wind steht wohl günstig, so dass es mich noch nicht gewittert hat. Aber ich weiss, dass ich mich nicht daran vorbei stehlen kann. Zu gut sind die Augen und die Ohren des Reh’s, das doch immer auf der Hut ist vor möglichen Feinden – auch gerade jetzt in der Jagdzeit.

Wenn es zum Abend dämmert, sollte ich eigentlich nicht mehr hier sein. Aber dummerweise ist dies genau meine Lieblingszeit… dann, wenn meine Sinne sich langsam scharf stellen müssen und auf ganz andere Art wahrnehmen als im normalen Alltag. Leise Geräusche, Bewegungen im Schatten der Bäume, fernes Hufgetrappel.

 Oder es herrscht einfach nur Stille.

 Stille, die ich in meinem Inneren so lange vermisst habe – hier finde ich sie.
Weit weg vom Alltagstrubel, allein in Wald und Flur.

 Einige Jahre sind vergangen und das, was war, liegt lange hinter mir. Scheinbar. Doch in Wirklichkeit ist es immer noch bei mir. „Man“ sagt, ich müsse  es loslassen. Aber allen guten Zureden zum Trotz will ich es wohl noch nicht. Zu groß ist der Verlust. Zu Schmerzhaft immer noch die Erinnerung. Zu traumatisch das Geschehen. Oder ist es jetzt einfach ein Teil von mir, der gesehen werden will und mir sagt: „Siehe, ich bin das Schicksal und du bist in meinem Spiel gefangen…“ Ob du willst oder nicht.
 
Alles ist anders. Es ist ein bodenloses Dasein.

 War das vorher eigentlich anders? Gab es diesen Urgrund, das Urvertrauen? Ja, ein bedingungsloses Ja. Ich glaube, jeder, der ein Erlebnis hatte, bei dem sein Vertrauen in das Leben bis in die Grundfeste erschüttert wurde, kann das nachvollziehen. Egal, ob das Geschehen körperlicher, psychischer oder materieller Natur war.

Ich denke, gerade heute erfahren wir alle, wie unsicher, wie fragil unser Frieden in der Welt ist. Jeden Tag kann ein Ereignis eintreten, was unser Leben oder das eines geliebten Menschen ruiniert oder zerstört. So, wie es auch mir geschah. Da hilft dann kein wohlgemeintes: „Kopf hoch, das wird schon wieder." Dann stürzt man einfach in den Abgrund und liegt zerschmettert am Boden.

 Ich bin noch „am Ball“, aber anders. Es geht weiter, ja, aber anders. Ich kann auch wieder emotional sein, aber anders. Alles wie auf dünnem Eis, mit angezogener Handbremse.

Aber ehrlich bin ich – sowohl hier als auch zu mir selbst. Doch eine Rolle spiele ich wieder, auch eine andere. Damit die Menschen kein Problem damit haben, dass ich eins habe.

Und wer weiß: Der Bodensatz des Lebens kann ja auch der Humus für neue Pflanzen sein.
Doch meine Poesie vemisse ich sehr - die zarte Pflanze, das Gefühl  der Liebe.

Vielleicht spriesst ja auch dort irgendwann wieder ein zartes Pflänzchen...


Dienstag, 3. November 2015

Der Sinn des Vergangenen




Die vergangenen Jahre haben mich auf eine harte Probe gestellt und tun es heute noch. Meine Lebensgrundlage und die Bestätigung, alles im Griff zu haben, brachen gleichzeitig weg und hinterließen einen gebrochenen Menschen. Nun schäme ich mich nicht mehr, dies zu sagen. Anfangs tat ich es.

Inmitten der Zeit meines Zusammenbruchs verlor ich immer wieder mein Gesicht. Ich wusste vorher nicht, wie wichtig es mir war, ein Bild von mir aufrecht zu erhalten, mit dem die Menschen mich kannten. Und welches ich auch verkörpern wollte. Mein Leben lang habe ich mich dagegen gewehrt, das zu tun, was andere von mir erwarten. Nun konnte ich damit aufhören, weil man nichts mehr erwartete.

Sich selber anzusehen, in einen Spiegel zu blicken, der keinen Schleier mehr trägt und nichts von einem mehr verbirgt, ist mehr als schmerzhaft. Denn er nimmt jede Illusion. Warum nur, fragte ich mich, gelingt es einem vorher nicht, zu sehen, wer man ist wie man ist?

Der Schleier ist fort, der Vorhang gerissen. Das ganze Schauspiel ist vorbei – aber nicht das Leben.

Dieses Leben ist und bleibt eine Prüfung, aus der man ge/erwachsen hervorkommt oder weiter vor der Realität davonläuft. Es gehört dazu, immer wieder tief zu fallen und wieder aufzustehen - ob man nun will oder nicht. Und immer wieder, wenn ich mich besonders sicher und getragen gefühlt habe, brach meine Welt zusammen. So dass ich manchmal nur noch gebetet habe: „Lieber Gott, lass es das letzte Mal gewesen sein. Lass mich endlich in Ruhe – ich kann nicht mehr“.

Ich weiß nicht, ob es jemanden gibt, der überhaupt meinen Gebete zuhört oder ob da niemals jemand war. Das Schlimmste für mich war das Gefühl, allein dazustehen; gefangen in meiner eigenen kleinen Welt, völlig unfähig zu begreifen, warum das alles geschehen muss.

Der Erweckungsgedanke ist mir so fern wie noch nie in meinem Leben. Als hätte es ihn nie gegeben. Wenn man am Bodensatz seines Lebens angekommen ist, wird auch der Sinn des Lebens angezweifelt. Das ist ganz normal und geht wohl vielen Menschen so. Doch was ist, wenn man am Ende gar herausfindet, dass es tatsächlich gar keinen eigentlichen, sondern nur einen individuellen Sinn gibt? Ein eigener, selbst gemachten Sinn, mit dem man sein Leben füllt? Warum denn auch nicht? Solange er nicht zerstört wird, ist ja auch alles in Butter.

Und wenn doch, dann sucht man sich einen Neuen.

So wurde mir zumindest angeraten und man wunderte sich, dass ich das einfach nicht konnte, nichts fand, scheinbar nicht in der Lage dazu bin. Oder einfach nicht mehr will: Suchen.


Wenn ich das Ganze nun im Rückblick betrachte, fällt mir eines dabei besonders auf:

Schicksalsschläge dienen immer wieder dazu, die Welt klarer zu sehen. Also gehe ich weiterhin mit offenen Augen und wachem Geist durchs Leben. Egal, ob es nun Sinn macht oder nicht.


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Foto von: Mike Behnken: "Sun, Hills and Fog. Marine Headlands"

Donnerstag, 8. Mai 2014

Aus dem Herzen leben





Die wohl wichtigste Erkenntnis im Leben ist, dass man das Leben so nehmen sollte, wie es ist. Auch dann, wenn man sich etwas anderes wünscht, und vielleicht auch gerade dann. Doch ich kenne eine Menge Menschen, bei denen würde eher ein Sechser im Lotto zutreffen, als dass Sie sich dem Leben hingäben und die Dinge so nähmen, wie sie sind.

Doch das ist genau oft der Grund für unser Plagen und Mühen: die Nicht-Akzeptanz.

Denn allein dadurch verursachen wir einen großen Teil unseres persönlichen Unglücks. Erst die Ablehnung dessen, was uns widerfährt, führt zum Unwohlsein – und nicht die Situation als solche. Und eigentlich lehnt man dadurch das Leben an sich ab. Aber das versteht kaum jemand wirklich. Oder wir wollen es nicht wahrhaben, sind eher der Meinung, dass die anderen Menschen und unsere Umwelt sich uns anzupassen haben und nicht umgekehrt.

Es gibt Naturgesetze, die nicht physikalischer Natur sind, sondern immateriell. Ich denke, ob jemand nun an Karma glaubt oder nicht - unsere Taten fallen allesamt auf uns zurück, wie ein Naturgesetz! Und das betrifft eben sowohl die schlechten als auch die guten Taten. Aber auch das wollen wir nicht wahrhaben. Meist sind doch nur „die Anderen“ schuld. Aber dass dem nicht so ist, wollen wir nicht wirklich wahrhaben.

Dazu eine kurze Erläuterung:
Wenn wir Menschen kennen, die sehr egoistisch eingestellt sind und ein Verhalten an den Tag legen, das zum größten Teil darauf ausgelegt ist, sich Vorteile zu verschaffen, ist uns das sozusagen „ein Dorn im Auge“. Auch Menschen, die scheinbar immer nur Glück haben, reichlich Geld und Besitztümer anhäufen und ihre Vorteile aus jeder ihrer Aktionen zu nutzen wissen. Diese Menschen erscheinen uns sehr clever, aber wir gönnen es ihnen nicht, dass sie Erfolg haben und dass sie mehr besitzen als wir.
Nun hat diese Situation zwei Seiten: Erstmal gibt dieser Umstand uns die Chance, zu erkennen, dass wir in unserem Denken egoistisch sind oder neidvoll oder beides. Wir würden zum Beispiel ganz anders denken, wenn wir selbst diese begünstigte Person sind… Zweitens gibt uns solch ein Situation aber auch Gelegenheit zu sehen, was wir nicht mögen, und wir könnten daraus lernen und selber anders handeln, eben NICHT egoistisch zu handeln.

Sind wir aber doch neidvoll und missgünstig, kann es sein, dass wir verbittern oder grantig werden. Unsere Laune ist schlecht, wenn wir Leute sehen oder Situationen haben, die wir nicht mögen und wir ärgern uns. Das mindert unsere Lebensqualität und schadet unserer Gesundheit. Also geht es uns nicht gut und wir schlussfolgern, dass unsere Lebensumstände schuld daran sind. Wir meinen, uns fehlen eben diese und jene Dinge zu einem glücklichen Leben. Nehmen wir jetzt aber mal diese Projektion zurück und distanzieren uns emotional von diesen Geschichten, begreifen wir vielleicht, dass unsere innere Haltung für unser Leben nur negative Auswirkungen auf uns selber haben. An der Situation, die uns nicht gefällt, ändert es gar nichts. Unser Wohlbefinden bleibt dabei auf der Strecke, denn Egoismus macht hart und einsam. Vielleicht erkennen wir auch in solchen Situationen, dass wir selber nicht so sein wollen, wie der andere und verhalten uns dann noch mitfühlender und toleranter.
Wenn wir verstehen, worauf es im Leben wirklich ankommt, versuchen wir nicht zu kompensieren, sondern leben positiv aus unserem Herzen heraus – die Güte. Denn wir sehen dann die Gemeinschaft und nicht nur uns selbst. Und vielleicht sind wir auch in der Lage zu erkennen, dass wir nicht der Richter über andere sind und nicht urteilen sollten. Wir sind nicht derjenige, der entscheidet, was gut und was schlecht ist. Das brauchen wir auch gar nicht, denn die Naturgesetze regeln das von allein, ohne unser Zutun.

Es ist wirklich sehr wichtig zu erkennen, worauf es ankommt im Leben. Und das sollte genau das sein, was Du im Innern Deines Herzens trägst. Liebe.

Naturgesetz ist, dass gute Taten Gutes bringen – aber nicht als materielle Gegenleistung, sondern in Form von Frieden. Und was uns wirklich erfüllt, erfüllt unser Herz, und das ist unsere eigene Selbstlosigkeit, das Miteinander, die Annahme des Anderen, das Lebens, wie es ist.

Egoismus macht einsam, habgierig und erfüllt das Herz mit Kälte. Achte einmal darauf, wenn Du anderen Menschen begegnest: Der, bei dem Du Dich wohl fühlst, ist derjenige, bei dem Du menschliche Wärme verspürst. Und diese Wärme kommt aus dem Herzen.

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Bild von Kasia: Lil' Heart Just For You

Mittwoch, 5. Februar 2014

"Realität" von Peter Kingsley







Die „Realität“ von Peter Kingsley ist kein einfaches Buch, nicht mit dem zu vergleichen, was ich bisher las. Man muss dafür loslassen können von alten Ideen und Überzeugungen, damit man dem Geschriebenen folgen kann.

Peter Kingsley schreibt u. a. über die griechischen Philosophen Parmenides und Empedokles. Besser gesagt, er schreibt nicht über sie, sondern er beschreibt, mit welch wahrer Meisterschaft in der Redekunst sie uns an die Wahrheit unseres Daseins, unserer Realität heranführen. Und zwar auf eine subtile, oft verwirrende und ent-täuschende Art, wie ich sie zuvor noch nicht las. Die benannten griechischen Philosophen haben es wie kaum jemand verstanden, alles Illusionäre und Täuschende um die Wahrheit herum zu entlarven, so dass nur noch der Kern unseres Daseins übrig bleibt. Das, was nicht gesagt werden kann, weil man es nicht mit Worten beschreiben kann, bleibt. Wenn wir dem Inhalt des Buches folgen können, führt es uns immer weiter in die Tiefen unseres Daseins und dem Verständnis unseres Wesens. Wir müssen nur unsere Vorstellungen, die wir von uns und der Welt bislang hatten, fallen lassen; müssen uns öffnen für eine andere Sicht der Dinge, eine andere, neue Art der Wahrnehmung. Wer bereit dafür ist, ein neues Gewahrsein und über das Wahrnehmen der Dinge zuzulassen, wird überrascht werden. Wer dieses Buch versteht, wird, wie Eckhart Tolle sagt, verwandelt werden. Doch dafür muss man in die Welt, die dort beschrieben wird, eintauchen, wie in ein tiefes, stilles Wasser.

Es ist schon eine anspruchsvolle Aufgabe, das Gewahrsein zu schulen – zu jeder Zeit 100% Aufmerksamkeit zu halten kann teilweise schon anstrengend sein, weil man seinen umherschwirrenden Geist immer wieder einfangen muss. Peter Kingsley beschreibt sehr anschaulich, dass es darauf ankommt, wahrzunehmen, wie unser Gewahrsein die Dinge wahrnimmt. Und in der Wahrnehmumg ausschließlich gewahr zu sein, ohne zu denken – das ist in meinem Augen eine sehr große Herausforderung. Gelingt Dir dies, erkennst Du, dass Du in Deinem Gewahrsein "nicht nur (jetzt) dort bist, wo Du bist, sondern auch, dass Du immer dort sein wirst" (Zitat aus dem Buch). Peter Kingsley interpretiert die Aussagen der vorsokratischen "Denker und Dichter" in einer grandiosen sprirituellen Sichtweise, die ich nur empfehlen kann. Für die Menschen, die wirklich in die Tiefe des Verständnisses unseres Daseins "hinabsteigen" wollen ist er in meinen Augen ein einzigartiger Wegbereiter.

Dieses Buch birgt einen Schlüssel zu dem größten Schatz der Menschheit. Trau Dich, alles loszulassen, was Dich noch hält und begib Dich auf den Weg zu Dir selbst. Ob mit diesem Buch an Deiner Seite oder irgend etwas anderem. Hauptsache ist, Du machst Dich auf den Weg.



.............................................................................................. Bild von Buntschatten: "Narzissen"